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Luxus-Auto-Lofts in Kreuzberg: Hintergrund, Einschätzung, Widerstand


Zum Jahreswechsel soll 2009/09 es soweit sein: die sogenannten "Car-Lofts" in der Reichenberger Straße sollen von den ersten Bewohner_innen bezogen werden. Was hat es eigentlich mit diesen "Car-Lofts" auf sich - und was bedeutet die Eröffnung für Kreuzberg 36?

Was sind eigentlich diese "Car-Lofts"?

Bei den Car-Lofts handelt es sich um Luxus-Eigentumswohnungen, die gerade an der Reichenberger Straße Ecke Liegnitzer Straße in Kreuzberg 36 gebaut werden. Laut Immobilienfirma ist ein Großteil der "Car-Lofts" bereits verkauft und soll zum Jahreswechsel bezogen werden. Die Pleite der ursprünglichen Baufirma war leider nicht nachhaltig wirksam. Die billigsten "Car-Lofts" gibt es bereits für einen Preis von 500.000 Euro, wer es gerne etwas schicker hätte, kann bis zu 1,6 Millionen Euro auf den Tisch legen.

Das Motto der "Car-Lofts" ist "Luxus-Komfort-Sicherheit". Es handelt sich hier um luxuriöse Eigentumswohnungen, bei denen ein Autoaufzug eingebaut ist, mittels dessen das eigene (Luxus-)Auto direkt vor dem Wohnzimmer abgestellt werden kann - in allen Stockwerken. "Der CarLift ist ein Spezialaufzug, der Sie in Ihrem Fahrzeug sicher und direkt auf Ihre Wohnetage bringt. Ein Transponder übermittelt automatisch Ihre Zugangsberechtigung und Zieletage. Die Fahrt im CarLift ist ebenso einfach wie komfortabel. Optische und akustische Signale unterstützen Sie bei der Ein- und Ausfahrt in die geräumige und beleuchtete Aufzugkabine (2,80 m x 6,00 m). Der gesamte Parkvorgang dauert ca. 2,5 Minuten."

Doch das ist noch längst nicht alles: Jede Wohnung hat auch noch einen eigenen Garten in luftiger Höhe, laut Werbung der Immobilienfirma besonders zum "Üben von Golf" geeignet. "Stellen Sie sich vor, Sie sind mitten in der Metropole, in der Großstadt in ihrer eigenen, kleinen, grünen Oase. Um Sie herum spielen Ihre Kinder, Sie entspannen im Whirlpool oder verbessern am putting green Ihr Handicap - in Ihrem Garten, direkt vor der Haustür auf Ihrer Etage."

Die "Car-Lofts" sind mit einem eigenen Sicherheitsdienst ausgestattet. Tag und Nacht werden die Gewinner der gesellschaftlichen Ungleichheit, die hier logieren, von Security-Personal beschützt. Es ist ja auch wichtig, dass die Gewinner der gesellschaftlichen Ungleichheit vor den Verlierern beschützt werden - solange diese sich noch im Kiez rumtreiben, und vollständig sollen sie wohl auch nicht verdrängt werden, denn sie sind immerhin ein pittoreskes Element, und bringen den einen oder anderen Chefdesigner vielleicht auf kreative neue Gedanken. "Das CarLoft-Haus umschließt zusammen mit einem anderen Loft-Gebäude einen Innenhof der 1910 errichteteten Paul-Lincke-Höfe. Lange Zeit beherbergten sie eine Telefonfabrik, bevor sie von 1996 bis 2000 nach Plänen von Prof. Christoph Langhof restauriert und zu Lofts umgebaut wurden. Heute leben hier überwiegend Menschen aus kreativen Berufsbereichen."

Insbesondere die Lage wird gerühmt: am Wasser, in einem "lebendigen Kiez", und in unmittelbarer Nähe der wundervollen "MediaSpree"-Projekte. "Zahlreiche Werbeagenturen und Firmen der Modebranche, aber auch die Allianz, MTV und Universal haben sich in diesem Bezirk angesiedelt."

Was bedeutet die Eröffnung der "Car-Lofts" für den Reiche-Kiez Kreuzberg 36

Kreuzberg 36 ist sogenanntes Milieuschutzgebiet. Deswegen werden alle drei Jahre die Einkommensverhältnisse der Mieterinnen und Mieter und die Mietsituation untersucht. Wenn auch Kreuzberg 36 wenig davon hat, Milieuschutzgebiet zu sein - dies ist sicher kein Schutz gegen steigende Mieten! - so liegen doch recht gute Daten vor.

Die dreijährliche Untersuchung wird durch das Stadtforschungsinstitut Topos durchgeführt, die Ergebnisse der diesjährigen Studie sind alarmierend - und zwar vor allem für den Reichenberger Kiez. Die Studie, vom Bezirksamt in Auftrag gegeben, ist noch nicht für die Öffentlichkeit freigegeben. Doch im Juli wurden vorläufige Ergebnisse im Nachbarschaftsladen in der Lausitzer Straße vorgestellt, und auf diese wird auch in einem aktuellen Artikel im Mieterecho Bezug genommen.

Laut der Topos-Studie hat im Reichenberger Kiez das Durchschnittseinkommen in den letzten drei Jahren um 30 Prozent zugenommen - auf derzeit 1300 Euro im Monat. Nun könnte mensch ja denken: klasse, die Leute verdienen mehr. Aber Pustekuchen. Denn der Anstieg der Durchschnittseinkommen resultiert einfach aus einem Austausch der Bevölkerung. Denn das Durchschnittseinkommen der in freiwerdende Wohnungen Ziehenden hat sogar um 50 Prozent in drei Jahren zugenommen, auf mittlerweile 1500 Euro. Im Klartext heißt das: wer weniger als 1500 Euro verdient, hat derzeit kaum eine Chance, im Reichenberger Kiez überhaupt noch eine Wohnung zu finden.

Das passt auch wunderbar zu den gesamtberliner Zahlen: während die Armut insgesamt kontinuierlich zunimmt, werden die Armen, siehe Beispiel Reichenberger Kiez, kontinuierlich aus der Innenstadt verdrängt. Was in Mitte, Prenzlauer Berg und großen Teilen Friedrichshains schon fast abgeschlossen ist, passiert jetzt im Moment in Kreuzberg (und nicht nur dort). Und genau in dieser Situation werden Luxus-Car-Lofts im Reichenberger Kiez gebaut. Ein Terrorist, wer hier von Gentrification spricht!

Während derzeit in Berlin fast 180.000 Kinder und Jugendliche in Armut aufwachsen, haben andere genug Kleingeld nicht nur für das Luxus-Car-Loft, sondern auch für das dazu passende Luxusauto. Zum einen profitieren die Luxus-Car-Lofts von der schon stattgehabten Gentrification: der Kiez ist bereits schick genug, um der wohlhabenden Klientel zu gefallen. Und gleichzeitig bewirken solche Car-Lofts natürlich nochmal eine fette Mietsteigerung, denn wo Platz für Car-Lofts für 1,5 Millionen Euro ist, ist sicher auch Potential für noch höhere Mieten in noch schicker sanierten Altbauwohnungen.

Es ist auch ganz sicher kein Zufall, daß ausgerechnet jetzt, im zunehmend schicker werdenen Kiez, diejenigen, die nicht zu den Gewinnern gehören, zunehmend drangsaliert werden. Vor einigen Wochen erst gab es die größte rassistische Razzia gegen angebliche Drogenhändler_innen im Görlitzer Park. Und ausgerechnet am Kottbusser Tor soll die neueste Videoüberwachungstechnik, inklusive automatischer Gesichtserkennung, getestet werden. Koksen im Luxusloft und Schampus im Nightclub statt Sterni auf der Straße und eine Tüte im Park - so wünschen sich manche das neue Kreuzberg 36, und sie sind eifrig aktiv, um ihre Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen.

Widerstand gegen die "Car-Lofts"

Zum Glück gibt es nicht nur diejenigen, die eifrig an der Entwicklung von Kreuzberg zum Schicki-Kiez arbeiten, und diejenigen, die davon profitieren, sondern auch diejenigen, die sagen: Innenstadt für Alle - Verdrängung und Vertreibung stoppen! Wenn der Kampf aber Erfolg haben möchte, sollten wir alle uns nochmal extra anstrengen, bevor es zu spät ist!

Die bisherigen Aktionen waren schon recht nett. So kam es während der Wir bleiben alle-Aktionstage anscheinend zu einem recht umfassenden Schaden an der Fensterverglasung, wie das berliner Magazin für politische Kultur Interim berichtete. Im Kiez sind auch schon großflächig Info-Plakate verklebt, die über die Car-Lofts aufklären. Und, besonders nett: im Juli mussten die Gäste einer feierlichen Präsentation der schicken neuen Lofts von einer eilends gerufenen Hundertschaft aus dem Gebäude evakuiert werden, weil die Nachbarinnen und Nachbarn ihren Unmut deutlich zum Ausdruck brachten.

Und wie geht es nun weiter? Der Verlauf der "feierlichen Eröffnung" der Anschutz/O2-Halle letzte Woche macht auf jeden Fall Mut. Wenn wir viele sind, die was gegen die ekelhaften Luxus-Car-Lofts machen - dann kann das eine ganz schöne Investitionsruine werden!

Luxus, Komfort und Sicherheit im Car-Loft? Sicher ist das nicht!