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Redebeitrag gegen die Anschutz/O2-Halle (Auftaktbeitrag der NO2-World-Demo 10.09.08)


Hallo, liebe Leute,

Ab heute hat Fhain-XBerg ein neues Herz: Die O2-World will ein Meilenstein des undemokratischen Mammutprojekts Mediaspree sein und die Richtung anzeigen: Hier herrschen die Gesetze des Marktes, egal, was die Meinung der Anwohnerinnen und Anwohner ist! Dies ist die Hauptstadt des weltweit kriegsführenden Exportweltmeisters Deutschland!

Die neue Halle erregt die Gemüter aus unterschiedlichen Gründen: die Lichtverschmutzung und Luftkommerzialisierung durch die o2-Werbetafeln ist extrem provokant, mehr Autoverkehr steht ökologischen Konzepten von Stadt klar entgegen und der protzige Glas-Beton-Stil weckt negative ästhetische Erinnerungen an das unattraktive Regierungsviertel. Aber das sind zunächst nur die offensichtlichen Kritikpunkte an dieser Halle.

Desweiteren wird die zunehmend ungleiche Gesellschaft, die wir ohnehin haben, bei Betrachtung der Halle symbolisch geordnet ablesbar: Die Eliten des Landes können sich für 135000 € pro Jahr eine Luxus-Loge anmieten und sich exklusiv amüsieren: etwa im Platinum Club, Event Suites, Premium Lounges oder einer Entertainment Suite. Die Preise für die schlechteren Plätze beginnen, beispielsweise für ein Konzert von Leonard Cohen, bei 55 Euro. >Die meisten – besonders diejenigen die in den umliegenden Kiezen wohnen – werden daher draußen bleiben. Probleme durch steigende Mieten als Nebenprodukt eines an Fahrt gewinnenden Immobilienmarktes werden durch die wenigen, schlecht bezahlten Jobs, mit obligatorischen Lächelkursen nicht gelindert. Erwerbslose, die durch die Hartz4-Gesetzgebung in derartige Verhältnisse gezwungen werden, droht bei Ablehnung eines solch schlechten Jobs in letzter Konsequenz die Zwangsräumung. Ganz nach der Logik: Friss oder stirb – Alltag in dieser Stadt!

Und das alles für wen oder was? In erster Linie natürlich den Profit der beteiligten Unternehmen o2 und Anschutz Entertainment Group. Während o2 sich durch die Namensrechte an der Halle einen Beitrag zum jung-dynamischen Image als Telekommunikationsunternehmen erhofft (Danke an die Berliner Polizei, denn ihr versaut dieses durch euer Auftreten sicher ein wenig), ist die Unterhaltungsbranche für den Haupt-Investoren, den Multimilliardären Philip Anschutz, Alltagsgeschäft. Den Politikern scheint egal zu sein, wohin die Profite dieses Investoren fließen: in jahrzehntelanges Sponsoring republikanischer Rechtsaußen-Kongressabgeordneter (zum Beispiel einem, der dafür plädierte, „Kriminelle öffentlich auf Straßen aufzuhängen“) bis hin zu beiden Bush-Präsidenten (aber auch John McCain). Aber besonders die finanzielle Unterstützung für christlich-fundamentalistische Gruppen und Politiker_innen, die sich wie etwa „Colorado for family values“ gegen Abtreibung und Homosexualität an sich einsetzen, ist ein Skandal. Direkte Subventionen von mindestens 12 Millionen Euro und Infrastrukturmaßnahmen von geschätzten weiteren 25 Millionen Euro durch berliner Politfunktionäre setzen dem die Spitze des Eisbergs der Frechheiten auf. Die städtischen Hallen werden durch die neue Konkurrenz noch mehr Zuwendungen benötigen als bereits heute. Zu anderen Anlässen wird dann wieder behauptet werden, es fehle am Geld: Schulen und Kitas bleiben schlecht ausgerüstet, soziale Projekte werden weggekürzt.

Gleichzeitig wird im Kiez aufgerüstet: um gegen Menschen vorzugehen, die nicht so mitspielen, wie gedacht: Menschen, die Widerstand leisten, Drogenabhängige, Sprayer, usw. werden mit mehr Alltagsrepression rechnen müssen, denn das Kapital braucht Sicherheit und Kontrollierbarkeit: Ob nun Wachschutz an unliebsamen Baustellen, eine sich gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe richtende Großrazzia im Görli oder die neueste Ankündigung den Kotti-Bahnhof als berliner Experimentierfeld für neueste Überwachungstechnologie umzufunktionieren: Dies alles ist Teil der aktuellen berliner Stadtentwicklung. Schon bei der Grundsteinlegung der O2-World wurden einige wenige Protestierende brutal und mit Mund-zu-halten von der Zeremonie entfernt. Heute sind es wesentlich mehr Menschen, die ihre Ablehnung äußern, aber auch der Staat zeigt, wo die Prioritäten liegen: absurde Demonstrationsauflagen inklusive Verbot und massenhaft Polizisten, deren Erscheinungsbild an Bürgerkrieg erinnert. Dahin also geht die Reise!

In unterschiedlichen Kampagnen wird vermehrt versucht diese unsoziale Entwicklung zu stören, Sand im Getriebe des Immobilienmarktes zu sein und alternative Ideen sichtbar zu machen. Und es gibt erste Erfolge. Die heutige Eröffnung der O2-World bietet uns die Möglichkeit Bilder in die Welt zu senden, die deutlich zeigen, dass diese Halle nicht der Auftakt zu einem Entertainment District mit schickem teurem Hauptstadt-Kiez drum herum wird. Stattdessen sollte diese Halle als Baudenkmal für arrogante und falsch kalkulierte Stadtplanung verstanden werden! Denn: Berlin bleibt Risikokapital!

Dabei ist allerdings das wichtigste, dass wir unseren Worten auch Taten folgen lassen. Gegen die Zumutungen im Alltag störend aktiv werden.

Gegen jede Zwangsräumung, gegen Arbeitszwang, gegen Versicherheitlichung unserer Lebenswelten und die immer wieder nervigen Logiken einer marktförmig organisierten Gesellschaft: Denn was wir vor allem wollen ist ein solidarisches Miteinander, in dem wir selbst entscheiden können, wie wir leben wollen und was wir brauchen!

Aber für heute Abend gilt: Wir sind alle eingeladen, um gleich den ersten Pulsschlags des neuen FHain-Xberger-Herzens zu einem Rattern und Knattern zu machen!

Mediaspree Versenken, Bullen in die Spree, wir bleiben alle, YippieyippieYee!