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"Aufwertung" und die Anschutz/ O2-Halle (Redebeitrag NO2-World-Demo 10.09.08)


Immer wieder werden wir gefragt, warum wir uns so sehr über die Anschutz Halle aufregen. Das Ding ist ja so häßlich, wie soll denn das bitteschön den Stadtteil aufwerten? Und was haben Eishockey-Spiele und Udo-Jürgens-Konzerte mit steigenden Mieten zu tun?

Doch, sie haben miteinander zu tun, und ich möchte dazu vier Punkte nennen.

Erstens: Großprojekte haben direkte Auswirkungen auf ihre Umgebung.
Die O2-World ist ein Großprojekt, schließlich wird sie gerade als eine der größten Veranstaltungshallen in der Bundesrepublik gefeiert. An 250 Tagen im Jahr sollen hier bis zu 17.000 Besucherinnen und Besucher erscheinen, die sich nach Ende der Veranstaltung bestimmt nicht einfach in Luft auflösen werden. Und wer will schon zum Bierchen trinken in der O2-World bleiben, wenn man dort 3 Euro 60 für ein Glas berappen muss? Also werden hunderte, vielleicht eher tausende Leute zusätzlich in der Simon-Dach-Straße und am Schlesischen Tor die Kneipen bevölkern. Davon werden vor allem die großen Kommerzkneipen profitieren, die deutlich mehr Miete zahlen können als normale Geschäfte und kleinere Lokale. Die Anschutz-Halle wird also nicht nur die Kneipenlandschaft in den Nachbarkiezen langweiliger und kommerzieller machen, sondern auch zu steigenden Gewerbemieten führen.


Zweitens: Dass sich hier ein Investor wie Anschutz mit einem Projekt wieder der Halle festgesetzt hat, ist typisch für die Berliner Stadtpolitik. Brachflächen, freie und provisorisch genutzte Grundstücke sollen möglichst schnell und ordentlich bebaut werden. Denn sonst sieht das ja nicht aus. Berlin soll ja Weltstadt werden, neue Investoren anziehen, und dafür soll es auch schick aussehen. Der erstbeste Immobilienentwickler, der etwas auf einem noch nicht zugebauten Grundstück seine Verwertungträume in Glas, Stahl und Beton gießen will, wird also von der Stadt hofiert, mit Kusshand genommen und bekommt obendrein noch millionenschwere Unterstützung. Wir haben keinen Bock auf eine durchgestylete Stadt! Wir wollen ein Berlin, das Freiräume bietet, Spielräume für nicht-kommerzielle Ideen.

Drittens: Wo jetzt die O2-World steht, war früher der Ostgüterbahnhof.
Die Bahn verkauft Grundstücke, die sie gerade nicht mehr braucht, und zwar immer an die Firma, die am meisten dafür zahlt. Hier wurde also Stadtfläche, die in öffentlichem Besitz war, privatisiert. und zu alledem auch noch ohne irgendeine öffentliche Diskussion darüber, was man mit so einer Fläche nicht alles anstellen könnte, was im Interesse der Bewohnerinnen und Bewohner hier drumherum wäre. Dieser Privatisierungswahn ist zu Kotzen!

Viertens: Anschutz ist Teil des Media-Spree-Vorhabens.
Der lokale Projektmanager der Anschutz Entertainment sitzt sogar im Vorstand von Media Spree. Und was Media Spree aus den Spreeufern hier in der Gegend machen soll, wisst ihr ja sicher schon: Ein schick glänzendes, gut aufgeräumtes und exklusives Büroviertel. Denn für den Blick aufs Wasser wird gern noch ein gutes Stück mehr Miete gezahlt. Mal abgesehen davon, dass wir gar keine Lust haben, die Spreeufer für son'n Scheiß herzugeben: Was bedeutet das denn, wenn da – wie im Marketing behauptet – überall kleinere und größere Medien- und Designunternehmen einziehen? Die bringen ja alle ihre ganz doll kreativ tuenden Angestellten und freien Mitarbeiterinnen mit. Und die wollen natürlich auch irgendwo wohnen. Am liebesten natürlich in den Kiezen, die schon als „Szeneviertel“ gelten, und praktischerweise gleich nebendran liegen: Friedrichshain und Kreuzberg. Und das wird die Mieten und die Umwandlung in Eigentumswohnungen natürlich richtig anheizen. Wer von nem Jobcenter-geförderten Minijob als Kartenabreißerin der O2-World arbeitet, hat dann eben keine Chance mehr auf dem Wohnungsmarkt und darf sich irgendwo außerhalb der Innenstadt ne Butze suchen. Die ganzen Flächen um die O2-World herum, wo jetzt erstmal Parkplätze sind, gehören auch Anschutz. Und auch da sollen in ein paar Jahren schicke Bürogebäude aufgetürmt werden. Zumindest dann, wenn sich Unternehmen finden, die dort einziehen würden.

Und genau deshalb wollen wir heute und in Zukunft weiter Widerstand gegen Media Spree leisten. Und den Herr Aufwertung und Frau Gentrification mal zeigen, dass wir unsere Kieze nicht für sie räumen werden.

Berlin bleibt Risikokapital!